… schuf ER die Musik

1. Februar 2017 | Von | Kategorie: Autor, Meine Musik

Die Seele fliegt – schwebt – oder etwas dazwischen? Dieses Gefühl dringt aus allen Poren. Dieses Gefühl erzeugt ein Strahlen. Versuchen, dieses Gefühl zu beschreiben – ja. Dieses Gefühl benennen? Gar dieses Gefühl fühlbar zu machen – kann man das?

Viele Musiker erleben es, aber es ist Besonderen vorbehalten. Nur wer ganz in der Welt der Töne aufzugehen im Stande ist, kann das wahr nehmen: Der Moment, dieses unmessbare Zeitgeschenk am Ende des gelungenen Konzerts, in dem alles geklappt hat. Perfektion – das erste von drei Elementen, gegründet auf Fertigkeit, Improvisationen, Soli, Zusammenspiel, in dem die Spannung gezähmt wird. Dieser Augenblick, der die Zeit bannt, bevor das Publikum wieder ausatmet. Wenn man mit der ganzen Band an die Rampe tritt, immer noch mit ihr eins, die Bandmitglieder einander bei der Verbeugung festhalten. Man das Schweißparfüm riecht, geschwängerte Luft tief einsaugt, das Publikum wie durch einen Schleier sieht. Der Beifall in Watte gepackt anbrandet. Die letzte Verkrampfung sich löst nach der besten Nummer am Schluss. Wenn ‚Zugabe’ verlangt wird.

Ein klein wenig fühlt es sich auch an, als würde der Körper Millimeter über dem Bühnenboden schweben, als ob man Flügel hätte. Ein gefährlicher Moment. Er macht es schwer, nicht abzuheben.

Ich weiß tausend Dinge zu nennen, die es nicht sind: Der sexuelle Höhepunkt, selbst wenn er alles weg schwemmt. Der große Lottogewinn. Was bringt er? Zufriedenheit? Sicherheit? Banal.

Macht Ähnliches es nachfühlbar? Der Moment, wenn ein Paar den gesunden Nachwuchs im Arm hält? Der Augenblick der Gewissheit, dass der Mensch, den man liebt, diese Liebe erwidert oder etwas trivialer: Das entscheidende Tor, nicht irgendeines, das jemand für seine Mannschaft erzielt, sondern jenes, mit dem die Meisterschaft errungen ist und die Anhänger ins Delirium verfallen … aber sie sind halt nur ähnlich.

Beim Sport schüttet man Adrenalin aus, aber auf der Bühne strömt wenig davon in die Adern. Ich denke, Seretonin ist dabei – das Gefühl tiefsten Glücks, aber auch Zufriedenheit, Erleichterung, Dankbarkeit gegenüber dem Schöpfer, der diese Augenblicke schenkt. Stolz auf das Vollbrachte zählt auch dazu, aber das alles reicht nicht: Etwas ist dabei, das ein oft tagelanges Hochgefühl bewirkt. Ein Bandmitglied – Klassikschule – erwähnte, dass seine Frau nach dem ersten Gig in meiner Rockband fand: Du hast seit Tagen solch einen unbekannten Ausdruck im Gesicht. Solch ein Lächeln. Da erst merkte er, dass das Hochgefühl immer noch anhielt.

Eine Lehrerin gab Englisch und Sport. Mit Schülerinnen übte sie einen Tanz. What a Feeling, aus Flashdance. Die Aufführung am Freitag klappte perfekt. Montagmorgen betrat sie zur Englischstunde die Klasse – die Mädchen bildeten Spalier, tanzten und sangen „What a Feeling“. Immer noch. Kein Wunder, dass die Erzieherin Jahre später unter Tränen verabschiedet wurde.

Ein großer Schlagzeuger sprudelte nach einem überragenden Jazzkonzert heraus: „Ich werde lange wach liegen. Wenn wir so gespielt haben, fällt es mir unheimlich schwer abzuschalten. Der ganze Motor ist aktiviert und schaltet nur ganz langsam wieder auf Normalbetrieb.“

Manche werden süchtig danach, genau diesen Augenblick der Grenzenlosigkeit wieder und wieder zu erleben. Gefühlt haben Musiker das schon lange, was heute Kernspintomographen sichtbar machen: Musik aktiviert ganz eigene Gehirnregionen wie nichts sonst. Schon passiv wahrgenommene. Es gibt für mich ein Handvoll Songs, die mich völlig packen. Mich manch-mal im Innersten berühren. Songs für die Ewigkeit. Ich könnte etliche aufzählen, beschränke mich auf einen: Music, von John Miles, den größten Popsong aller Zeiten.

Weiter, sehr viel stärker, gilt das für aktiv erzeugte Klänge.

Das zweite Element ist die Band. Dieses Miteinander, eingehen auf Ideen, dichter werden, immer intensiver, ausbügeln kleiner Patzer. Als kleiner Solist habe ich das nicht erleben dürfen. Vielleicht geht das den Großen anders – ich habe sie nicht danach gefragt.

Wer das Innenleben der Band stört … stört Harper Lees Nachtigall … Der heilige Zorn des Musikgottes straft sie für immer. Wer nicht fühlt, dass der Künstler mindestens eine Stunde vor dem Gang auf die Bühne im Tunnel ist … ist ein Ignorant.

Die Empfindungen auf der Bühne schaffen Rauschhaftes. Endorphine werden ausgeschüttet. Künstliche Drogen – wer braucht so was? Das geht doch auf ganz natürliche Weise – leiste etwas, vielleicht etwas Großes. Zumindest gib dein Bestes. Schaffe es in dir, mit anderen und für andere.

Ohne Publikum, das dritte Element, entsteht es nicht.

Fühlst du es jetzt? Habe lange im Innersten gesucht:

Eine gehörige Portion Euphorie gehört dazu.

Ja, das ist es.

Euphorie.

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